Bitte keine vorschnelle Hilfe bei jungen Wildtieren - Landestierschutzverband Baden-Württemberg
Bitte keine vorschnelle Hilfe bei jungen Wildtieren
von Redaktion LTschV-BW

Bitte keine vorschnelle Hilfe bei jungen Wildtieren

Scheinbar verwaiste Jungvögel und junge Wildtierbabys sind oft gar nicht so verlassen und hilflos wie viele denken. Vorschnelle Hilfsaktionen können Jungtieren mehr schaden, als nutzen.
In den Tierheimen in Baden-Württemberg werden zurzeit wieder zahllose flugunfähige Jungvögel, gerettete Entenküken und andere junge Wildtierwaisen abgegeben. Doch nicht immer sind diese Jungtiere tatsächlich in Not und benötigen menschliche Hilfe.

Kaum hat der Frühling offiziell begonnen, werden schon die ersten Jungtiere aufgefunden und aus gut gemeinter aber übermotivierter Tierliebe eingesammelt.
Falsch ist dies deswegen, weil viele Jungvögel ihr Nest bereits verlassen, bevor ihr Gefieder vollständig ausgebildet ist. Obwohl sie dann recht hilflos wirken, sind sie nicht so verloren und verlassen wie es den Anschein macht. Sie werden trotzdem weiterhin von den Elterntieren beobachtet, bewacht und versorgt. Selbst wenn sie sich nicht nächster Umgebung aufhalten. Auch Fliegen will gelernt sein und gerade die ersten Flugversuche sind sehr anstrengend und gehen oft erst einmal daneben. So sind „Bruchpiloten“, die ungewollt eine Bauchlandung am Boden gemacht haben, bei den ersten Ausflügen keine Seltenheit. Deshalb müssen sich die Jungvögel zwischen den einzelnen Flugetappen auch immer wieder erst erholen und fliegen nicht gleich weg, wenn sich Menschen nähern.

Stefan Hitzler, erster Vorsitzender des Landestierschutzverbandes, rät deshalb: „Werden Jungvögel gefunden, die teilweise noch nackt und offensichtlich nicht flugfähig sind, sollten sie am besten einfach wieder ins Nest zurückgesetzt werden. Das Nest ist meistens ganz in der Nähe und die Vogeleltern nehmen das Junge problemlos wieder auf. Hat der Vogel dagegen schon fast sein volles Gefieder, handelt es sich vermutlich um einen „Fluganfänger“. Notfalls bringt man ihn aus der Gefahrenzone von Fahrzeugen, Katzen und Fußgängern. Hierzu eignet sich z.B. ein nahe gelegenes Gebüsch. Dort ist er in Sicherheit. Die Menschen sollten sich dann entfernen, damit Jung- und Elterntiere in Ruhe zueinander finden. Der Kleine wird seine Vogeleltern ziemlich schnell lautstark auf sich aufmerksam machen und von ihnen dort dann weiter versorgt. Im Gegensatz zu Säugern stören sich Vogeleltern nicht am menschlichen Geruch, der beim Anfassen der jungen Vögel hinterlassen wird.“
Auch bei Entenküken ist die Entenmutter i.R. nicht weit weg. Im Gegensatz zu Singvögeln gehören Enten, Gänse und Hühnervögel zu den „Nestflüchtern“, d.h. die frisch geschlüpften Küken können zwar noch nicht fliegen, laufen der Mutter aber sofort hinterher. Ein Einfangen wird jedoch nur dann notwendig, wenn sich eine Entenfamilie weit weg von Gewässern im bebauten Siedlungsgebiet verirrt hat oder wenn sie durch den Straßenverkehr in Lebensgefahr gerät. Im Fall einer solchen Familienumsiedlung muss stets dafür gesorgt werden, dass zuerst die Entenmutter eingefangen wird, denn sie kann im Gegensatz zu den Küken wegfliegen.

Wie verhält man sich richtig?

Scheinbar hilflose Jungtiere sollten – sofern sie nicht offensichtlich verletzt sind – in jedem Fall zunächst einige Zeit beobachtet werden und zwar so, dass sich die Tiere nicht gestört fühlen. Manche Jungtiere werden von ihren Müttern ganz gezielt über viele Stunden alleine gelassen. Gerade Rehe und Feldhasen suchen ihre neugeborenen Jungen nur zum Säugen kurz auf. Danach lassen sie die Kleinen im hohen Gras oder in der Ackermulde zurück und verlassen sich ganz auf deren gute Tarnung. Die Überlebensstrategie heißt hier nicht „flüchten“, sondern „reglos sitzen bleiben und nicht auffallen“. Zufällig entdeckte kleine Feldhasen oder Rehkitze sind also noch lange keine Waisenkinder. Hat man sie trotzdem angefasst und sie riechen nach Mensch, werden sie vom Muttertier oft nicht mehr angenommen, deshalb: „Finger weg!“.

„Nur bei offensichtlich geschwächten, kranken, ausgehungerten, unterkühlten oder völlig durchnässten Jungtieren bzw. wenn sich tatsächlich kein Elterntier um die Kleinen kümmert, ist es sinnvoll, die Tiere aufzunehmen,“ stellt Hitzler noch einmal klar. „Wer sich unsicher ist, sollte vorab im Tierheim anrufen und dort Rat einholen. Erkennbar verletzte Tiere müssen tatsächlich schnellstmöglich versorgt werden und sollten deshalb ohne Umweg zum nächsten Tierarzt gebracht werden.“

Um alle Wildtierarten möglichst wenig bei der Jungenaufzucht zu stören, ist es gerade jetzt im Frühjahr wichtig, die Wald- und Wiesenwege nicht zu verlassen und in der Nähe von Brutgebieten Hunde zur Sicherheit an die Leine zu nehmen.

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