Wildtiere in Not - Tierschützer fühlen sich im Stich gelassen - Landestierschutzverband Baden-Württemberg
Wildtiere in Not - Tierschützer fühlen sich im Stich gelassen
von Redaktion LTschV-BW

Wildtiere in Not - Tierschützer fühlen sich im Stich gelassen

Weil Menschen derzeit viel im Freien unterwegs sind, werden auffallend viele hilfsbedürftige Wildtiere gefunden. Doch wohin mit den Pfleglingen - wer kümmert sich um die fachgerechte Beratung und Versorgung, die artgerechte Aufzucht und Wiederauswilderung? Freiwillige Helfer mit Erfahrung und Fachkenntnis sind rar. Land und Politik fühlen sich nicht zuständig.
Landestierschutzverbandsvorsitzender Stefan Hitzler fordert Anerkennung und aktive Unterstützung für die Wildtierhilfe im Land: „Tierschutz gilt auch für Wildtiere!“

Die Natur blüht zu dieser Jahreszeit auf. Das gute Wetter und auch die Einschränkungen der Coronakrise ziehen die Menschen verstärkt in die Natur. Gleichzeitig ist es auch die Zeit, in der die meisten unserer einheimischen Wildtiere ihre Jungen aufziehen. Kein Wunder also, dass gerade jetzt die regionalen Tierheime täglich mit verletzten oder verwaisten Wildtieren konfrontiert werden.
Viele Tierheime pflegen und versorgen neben Hunden und Katzen zahllose junge Wildvögel, Eichhörnchen oder Igel, um sie später wieder in die Natur zu entlassen.
Dies ist eine Aufgabe, die den Tierschutzvereinen außer fachlich kompetente Mitarbeiter*Innen auch viel Arbeit, zusätzliche Zeit und Geld abfordert.

Besonders brisant wird diese Aufgabe, wenn Wildtiere gebracht werden, deren Aufzucht und Pflege ganz spezielle Haltungsbedingungen erfordern, um den Erfolg der späteren Auswilderung nicht zu gefährden. Von Spaziergängern gefundene, vermeintlich ausgesetzte „Hundewelpen“, die sich im Tierheim dann als Jungfüchse entpuppen, stellen die Tierschützer vor große Herausforderungen. Denn staatlich geförderte Wildtierauffangstationen, wie bspw. in Niedersachsen, gibt es in Baden-Württemberg nicht. Umgekehrt fehlen in den Tierheimen zumeist die für die Wildtierversorgung notwendigen, großflächigen - und vom „Normalbetrieb“ abgesonderten - Bereiche oder auch die erforderlichen Genehmigungen. Trotzdem kommen dort immer wieder hilfsbedürftige Wildtiere an - jedes Jahr aufs Neue.

„Tierschutz gilt für alle Tiere und ist seit 2002 sogar in unserem Grundgesetz verankert. Dieses unterscheidet nicht zwischen Haus-, Nutz- oder Wildtieren,“ erklärt der Vorsitzende des Landestierschutzverbandes Stefan Hitzler: „Trotzdem sind die Tierschützer in Baden-Württemberg allein auf sich gestellt, wenn es um Wildtiere geht. Weder gibt es finanzielle Unterstützung für die aktiven Wildtierhelfer, noch gibt es anerkannte und staatlich geförderte Einrichtungen, die Wildtiere in Not aufnehmen. Das Land verlässt sich hier, wie auch bei Reptilien, allein auf private Initiativen oder sogar Einrichtungen in anderen Bundesländern.“
Ein Gespräch im Mai 2019 zwischen dem Landestierschutzverband und den beiden zuständigen Landesministerien machte das Ausmaß der Misere im Wildtierschutz mehr als deutlich.
Das Umweltministerium sieht sich nur der Biodiversität an sich verpflichtet und somit lediglich gefährdete Tierarten in seiner Zuständigkeit. Das Schicksal eines einzelnen Tieres einer noch relativ verbreiteten Art interessiert nicht. Hier zählt nur die Gesamtpopulation. Das ebenfalls vertretene Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz hingegen sieht die Zuständigkeit für einheimische Wildtiere vorrangig beim Umweltministerium oder bei der Jägerschaft, wenn die Tierart ins Jagdrecht fällt. Auch hier wird der lebenserhaltende Tierschutz nicht sehr groß geschrieben. Manche Jagdgenossen gestehen den Tierschützern maximal noch die Pflege von Siebenschläfern oder Igeln zu. Nicht selten kommt stattdessen die Drohung mit einer Anzeige wegen „Jagdwilderei“.

„Tierschützer stehen somit in der Zwickmühle zwischen dem in ihren Satzungen und im Grundgesetz verankerten Schutz der Tiere und der anscheinend vorherrschenden Staatsauffassung, Wildtiere benötigen keine Tierschutzhilfe.“ bringt Hitzler das Dilemma auf den Punkt. „Und wer bitte erklärt dies einer jungen Familie, die mit ihren kleinen Kindern und einem verletztem Wildtier hilfesuchend vor der Tür des Tierheims steht? Wir jedenfalls lassen Wildtiere auch weiterhin nicht im Stich.“

Der Landestierschutzverband fordert schon seit langem die Bereitstellung finanzieller Mittel für die vielfältige Arbeit im aktiven Wildtierschutz und die Förderung von anerkannten Wildtierauffangstationen als regional zentrale Anlaufstellen mit speziell geeigneten Unterbringungs- und Pflegemöglichkeiten für Wildtiere.

Hintergrund
Der Landestierschutzverband führte 2018 eine Umfrage zur Versorgung von Wildtieren bei seinen Mitgliedsvereinen durch. Das Ergebnis: im Durchschnitt werden pro Jahr und Tierheim 81 Wildtiere aufgenommen und versorgt. Die Spitzenreiter sind hierbei Igel, gefolgt von Vögeln und Kleinsäugern wie Eichhörnchen. Aufgrund des hohen Bedarfs haben viele Tierheime Versorgungsmöglichkeiten für kleinere Wildtiere, wie einen Überwinterungsraum für Igel oder eine Außenvoliere eingerichtet. Vor allem bei größeren oder anspruchsvolleren Wildtierarten ist es jedoch immens schwer, geeignete Versorgungsplätze zu finden. Im Gegensatz zu BW gibt es bspw. in Niedersachsen derzeit 22 anerkannte und vom Land finanziell unterstützte Betreuungsstationen. Diese Stationen nehmen verletzt, krank oder hilflos aufgefundene Wildtiere auf, um sie gesund zu pflegen und anschließend wieder auszuwildern.

 

Weitere Infos:

Wer zahlt für Wildtiere ?

 

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