Katzenschutz geht anders - Walldorf agiert zulasten der Tiere - Landestierschutzverband Baden-Württemberg
Katzenschutz geht anders - Walldorf agiert zulasten der Tiere
von Redaktion LTschV-BW

Katzenschutz geht anders - Walldorf agiert zulasten der Tiere

Zum Schutz der bedrohten Haubenlerchen in Walldorf-Süd müssen Hauskatzen auch dieses Jahr wieder fünf Monate lang in Hausarrest. Für auslaufgewohnte Stubentiger und ihre Halter eine unzumutbar hohe Belastung. Parallel laufen anscheinend intern Überlegungen die Eier der letzten Haubenlerchenpaare zu entnehmen und andernorts ausbrüten zu lassen. Umso erstaunlicher sollen Planungen in Arbeit sein den derzeitigen Lebensraum der letztverbliebenen Haubenlerchen zu bebauen und somit unwiderruflich zu zerstören. Eine kommunale Katzenschutzverordnung ist allerdings in Walldorf bisher kein Thema.
Stefan Hitzler, Vorsitzender des Landestierschutzverbands kritisiert diese Doppelmoral aufs schärfste und stellt sich mit seinen Forderungen nach ungeteiltem Tierschutz klar hinter den Tierschutzverein Walldorf-Wiesloch und seinen Vorsitzenden.

„Ganz egal, ob es um den Schutz von oder den Schutz vor Katzen geht, die Vorgehensweise der Behörden in Walldorf, richtet sich in beiderlei Hinsicht gegen den Tierschutz“, sind sich der Vorsitzende des Landestierschutzverbands Stefan Hitzler und Volker Stutz, Vorsitzender des örtlichen Tierschutzvereins Walldorf-Wiesloch einig.

Laut einer Allgemeinverfügung müssen Hauskatzen bis einschließlich 2025 in einem umfangreichen Gebiet von Walldorf-Süd von April bis Ende August dauerhaft eingesperrt werden. Als zulässige Alternativen schlagen die Behörden vor, den eigenen Garten in ein rundum geschlossenes Katzengehege zu verwandeln, „Gassi gehen“ mit der Katze an einer maximal 2 Meter langen Leine bzw. ein GPS-Tracking-Nachweis, dass die Katze das „Schutzgebiet“ der Haubenlerche nicht betritt.

Für Stefan Hitzler sind solche Lösungsvorschläge realitätsfern: „Eine Katze ist nicht vergleichbar mit einem Hund. Eine Katze, die es nicht gewohnt ist, an einer Leine zu führen, kann das Tier belasten oder gar gefährden. Umgekehrt kann sich jeder, der eine Freigang gewohnte Hauskatze hält, vorstellen, wie schwerwiegend der monatelange Hausarrest für Tier und Halter sein wird.“
Dabei steht für Hitzler außer Frage, dass gerade selten gewordene Arten, wie die Haubenlerche, unbedingt geschützt und alles Menschenmögliche getan werden muss, um ihren Bestand zu erhalten.
Für ihn ist Tierschutz allerdings nicht teilbar. Er gilt für alle Tiere. Deshalb müssen seiner Ansicht nach auch Tier- und Artenschutzmaßnahmen Hand in Hand gehen.
Wenn für gefährdete Tierarten allerdings kein adäquater Lebensraum mehr vorhanden ist oder neu geschaffen wird, gibt es für sie keine reale Überlebenschance mehr. Für den Artenverlust dann vorrangig andere Tierarten verantwortlich zu machen, ist in den Augen des Tierschützers hilfloser Aktionismus.
Insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Stadt Walldorf bereits ein sehnsüchtiges Auge auf den Ausbau des dritten Baugebiets Walldorf-Süd -- derzeit ein Nahrungsgebiet der letzten Haubenlerchen dort - geworfen und im Gemeinderat wohlwollend beraten hat. Da sich solche Bauvorhaben mit Sicherheit negativ auf die dortigen Haubenlerchen auswirken werden, wird man in Walldorf laut Bürgermeister Renschler „in diesem Jahr in die Ei-Entnahme aus den Nestern einsteigen und diese dann ausbrüten lassen.“ Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage des Sinns der Beibehaltung des monatelangen Ausgehverbots der Walldorfer Hauskatzen bis 2025.

Für Stefan Hitzler es in Hinblick auf Arten- und Tierschutz weitaus effektiver beispielsweise dem Elend von „Streunerkatzen“ über eine kommunale Katzenkastrationsverordnung entgegenzuwirken und/oder mittels finanzieller Unterstützung die Bemühungen der Tierschutzvereine zu fördern, die sich mit Kastrationsaktionen hier aktiv einbringen.
Solche Maßnahmen werden in Walldorf bisher abgelehnt.


Hintergrund

Der traurige Rückgang der Haubenlerchen ist hierzulande schon lange zu beobachten. Durch die zunehmende Bebauung von freien Flächen und die intensive Bewirtschaftung von Ackerflächen geht den kleinen Bodenbrütern immer mehr Lebensraum und Nahrungsgrundlage verloren.
Im vergangenen Jahr verhängte der Rhein-Neckar-Kreis über eine Allgemeinverfügung zum Schutz der hochgradig gefährdeten Haubenlerche in Walldorf-Süd erstmalig ein fünfmonatiges Ausgehverbot für Hauskatzen in einem festgelegten Gebiet von Walldorf-Süd. Zwei bis drei letzte Paare des standorttreuen Bodenbrüters wurde hier in und an einem Neubaugebiet dokumentiert und sollen so vor dem endgültigen Verschwinden gerettet werden.
Statt aber schon in den Vorjahren nachhaltige und zukunftsorientierte Konzepte zum Erhalt der seltenen Vogelart in Walldorf umzusetzen - also beispielsweise geeignete, großflächige (!) Ausgleichsflächen zu schaffen und dauerhaft unter Schutz zu stellen - wurden im Frühjahr 2022 kurzerhand die Hauskatzen unter Arrest gestellt.
Der Tierschutzverein Walldorf-Wiesloch unterstützte daraufhin die betroffenen Katzenhalter und ihre Tiere u.a. mit einem Rechtsgutachten, um gegen diese unverhältnismäßige Maßnahme vorgehen zu können. Das zuständige Regierungspräsidium Karlsruhe hat den Widerspruch von 40 betroffenen Katzenhaltern allerdings nach mehrmonatiger Bedenkzeit abgelehnt. Nun bleibt den Betroffenen nur noch der Klageweg.
Für mehr oder weniger wirkungslose Schutzmaßnahmen und die Beobachtung nachlässiger Hauskatzenhalter im ausgewiesenen Restriktionsgebiet gab die Stadt Walldorf von 2020 bis Mitte 2022 bereits 170.000 Euro aus. U.a. beauftragte die Stadt Walldorf eine Firma mit der Überwachung der Einhaltung der Allgemeinverfügung. Wie sich jetzt allerdings herausstellte, erfolgte das Sammeln von Daten über Katzenbesitzer in Zusammenhang mit dem verhängten Ausgangsverbot für die Vierbeiner ohne Rechtsgrundlage und war somit illegal.
Umgekehrt hat die Stadt Walldorf eine im Sinne des Tier- und Artenschutzes präventiv wirkende allgemeine Katzenschutzverordnung bis jetzt abgelehnt. Ebenso wenig zeigt sich die Stadt bereit, die Kastrationsaktionen frei lebender Hauskatzen des Tierschutzvereins finanziell zu bezuschussen. Durch eine kommunale Kastrationspflicht für Hauskatzen mit Auslauf (inklusive Kennzeichnung und Registrierung über ein Haustierregister) könnte die ungewollte und unkontrollierte Katzenvermehrung frei lebender Katzen nachhaltig eingedämmt werden. Denn nur so ist es möglich, das hierzulande noch immer weit verbreitete „Katzenelend“ von Straßenkatzen zu verhindern. Dies sollte ein gemeinsames Ziel des Tier- und Artenschutzes darstellen.

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