Kälbertransporte - Tierschutz bleibt auf der Strecke - Landestierschutzverband Baden-Württemberg
Kälbertransporte - Tierschutz bleibt auf der Strecke
von Redaktion LTschV-BW

Tierschutzrecht bleibt auf der Strecke - noch nicht entwöhnte Kälber müssen weiterhin lange Leidenswege antreten

Die begründete Ablehnung, wenige Tage alte Kälber auf lange Tiertransporte zu entsenden, da sie unterwegs nicht bedarfsgerecht versorgt werden können, wird erst vom zuständigen Verwaltungsgericht Sigmaringen und nun auch vom Verwaltungsgerichtshof Mannheim als rechtswidrig angesehen. Auch Langstreckentransporte von Saugkälbern müssen demnach von den Behörden abgefertigt werden.
„Der Tierschutz bleibt bei uns immer mehr wortwörtlich auf der Strecke“, kommentiert Stefan Hitzler, Vorsitzender des Landestierschutzverbandes diese Entscheidung.

Tiertransporte sind schon seit Jahren immer wieder in der Kritik. Vor allem die Langstreckentransporte innerhalb der EU-Staaten oder in Drittländer sind mit erheblichen Leiden für die betroffenen „Nutztiere“ verbunden. Die EU-weit einheitlichen Mindeststandards für Tiertransporte werden dabei oftmals nicht eingehalten. Immer wieder decken Medienberichte und Dokumentationen von Tierschützern erhebliche Missstände auf. Ungeeignete Transportfahrzeuge, Überladung, verletzte und nicht transportfähige Tiere, defekte Tränke- oder Lüftungssysteme, lange Wartezeiten an den Grenzen bei sengender Hitze in den Sommermonaten, unzureichende Wasser- und Futterversorgung, Nichteinhaltung von Pausen oder Abladezeiten, fehlende Versorgungstationen, Misshandlungen bis hin zu grausamen Schlachtungen ohne Betäubung, sind nur einige Beispiele.

Erst im vergangenen Jahr wurde die Abfertigungspraxis von Langstreckentiertransporten bis in Drittstaaten wieder intensiv diskutiert. Viele engagierte Amtstierärzte wollten das absehbare Leid der Tiere nicht mehr mittragen und weigerten sich die Transporte zu genehmigen. Doch das zuständige Bundesministerium mauert und trotz andauernder Debatten hat sich bis heute nichts geändert.

Und nun ein neuer Tiefschlag: Nicht einmal noch nicht abgesetzte Kälber sind bei uns vor solchen Transporten geschützt. Die Ablehnung einer baden-württembergischen Veterinärbehörde eine Transporterlaubnis für Langstreckentransporte von Saugkälbern bis nach Spanien zu erteilen, wurde jetzt gerichtlich als rechtswidrig angesehen. Obwohl die nur kaum über zwei Wochen alten Tiere noch von (Ersatz-)Milch abhängig sind und es außerdem gar keine speziell ausgerüsteten Transportfahrzeuge mit kälbergeeigneten Saugsystemen gibt, die Transportzeiten z.B. nach Spanien die zulässige Höchstdauer oftmals weit überschreiten, müssen gemäß gerichtlichem Beschluss diese Kälbertransporte genehmigt werden, so das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen im Dez. 2019, welches durch den VGH Mannheim im Februar 2020 bestätigt wurde.

„Nur weil die Wassertränkevorrichtungen der Tiertransporter den allgemeinen Vorgaben der EU-Richtlinien entsprechen, bedeutet das doch nicht, dass kleine Kälber damit klarkommen und ausreichend versorgt werden können. In meinen Augen ist das vollkommen realitätsfremd und stellt unser gesamtes Tierschutzrecht in Frage. Das kann und darf so nicht stehenbleiben.“ so die Kritik vom Landestierschutzverbandsvorsitzenden Stefan Hitzler.
Gleichzeitig ermutigt und unterstützt Hitzler Amtsveterinäre, die sich hierzulande für die Umsetzung von Tierschutzrecht einsetzen und vor dem Elend der Tiere auf Langstreckentransporten nicht länger die Augen schließen wollen.

Das eigentliche Grundproblem bleibt dennoch erhalten:
So lange die Milchindustrie bei uns weiter anwächst, werden auch weiterhin unzählige Kälber geboren, wobei die Bullenkälber als „unrentabel“ gelten. Denn die Aufzucht ist aufwendig und für den Landwirt letztendlich teurer als der derzeitige Erlös. Der Kaufpreis eines Bullenkalbs lag 2019 teilweise weit unter 50 Euro.

„Das steht doch in keiner Relation mehr. So lange tierische Produkte bei uns zu Billigpreisen verramscht werden und wir nur auf Überproduktion setzen, bleiben die betroffenen Tiere und der Tierschutz auf der Strecke“ so das Fazit von Hitzler. „Ziel muss sein: Weniger Quantität, dafür mehr Qualität und Tierschutz. Und hier sehe ich nicht nur die „Verbraucher“ in der Pflicht, sondern vor allem auch die Politik in der Verantwortung. Tierische Produkte müssen teurer werden und der „Mehrwert“ muss beim Landwirt ankommen. Eine tiergerechtere Tierhaltung muss sich letztendlich auch auszahlen. Außerdem sollten dringend neue Anreize geschaffen werden, dass sich die Aufzucht von Kälbern hierzulande lohnt.“

Hohe Tierschutzstandards sind ein gesamtgesellschaftlicher Auftrag. Nicht ohne Grund steht der Tierschutz seit 2002 im Grundgesetz und haben wir schon seit Jahrzehnten ein eigenes Tierschutzgesetz. Es ist folglich schon lange überfällig, dass Tierschutz auch in der sogenannten Nutztierhaltung umgesetzt wird. Solange die Mehrheit unserer Bevölkerung nicht auf tierische Produkte verzichten will, müssten zumindest alle Lebenssituationen von „Nutztieren“ an aktuelle - wesentlich höhere - Tierschutzansprüche angepasst werden.

Zurück