Das traurige Leben einer Martinsgans - St. Martin hätte das sicherlich nicht gewollt - Landestierschutzverband Baden-Württemberg
Das traurige Leben einer Martinsgans - St. Martin hätte das sicherlich nicht gewollt
von Redaktion LTschV-BW

Das traurige Leben einer Martinsgans - St. Martin hätte das sicherlich nicht gewollt

Der St. Martinstag (11. 11.) wird jedes Jahr in vielen Kindergärten, Vor- und Grundschulen gefeiert. Traditionsgemäß gehört in deutschen Haushalten zumeist auch die „Martinsgans“ dazu.
Aus diesem Grund füllt der Lebensmittelhandel seine Tiefkühltruhen rechtzeitig mit unzähligen Gänsen. Die Discounter unterbieten sich dabei mit Billigangeboten.

Dem heiligen Martin hätte es wohl eine Gänsehaut über den Rücken gejagt, hätte er gewusst, was Gänse heutzutage - rund 1600 Jahre nach seinem Tod - in seinem Namen durchleiden müssen.
Nach Deutschland werden jährlich über 25.000 Tonnen Gänsefleisch aus dem Ausland eingeführt. 4 von 5 der in Deutschland jährlich verzehrten Gänse sind Importware. Diese Tiefkühlgänse stammen meist aus grausamer Turbomast, vor allem aus Polen und Ungarn. Die dabei benutzten Bezeichnungen suggerieren dem Käufer fälschlicherweise ein idyllisches bäuerliches Landleben.
In Wahrheit vegetieren diese speziell gezüchteten „Hybridmastgänse“ in riesigen Produktionshallen aneinandergedrängt ohne Auslauf und ohne Einstreu vor sich hin. Durch die Verabreichung von konzentriertem und oftmals mit Medikamenten versetztem Mastfutter, erreichen die Tiere bereits binnen 8 bis 10 Wochen schon ihre „Schlachtreife“. Auf arttypisches Schwimmen und Gründeln, Baden und Gefiederpflege im Wasser müssen die hochintelligenten Wasservögel ihr Leben lang verzichten. Die ländliche Idylle findet nur auf dem Etikett statt. Stattdessen simulieren künstliche Lichtquellen längere Tageszeiten damit die Tiere noch mehr fressen. Die Folgen: Stress, Federpicken, Kannibalismus und Knochenbrüche wegen der viel zu schnellen Gewichtszunahme. Viele leiden außerdem unter Gelenkentzündungen und Atemnot.

Nur aufgrund dieser industriellen Intensivtierhaltung sind die Dumping-Preise für Import-Gänse zu halten. Sie liegen teilweise bei weniger als einem Drittel des Preises, der für eine deutsche Bio- oder Freilandgans zu zahlen ist. In Deutschland werden Gänse meist vergleichsweise tiergerecht in Auslaufhaltung mit Zugang ins Freie gehalten. Sie werden erst im Alter zwischen 16 und 23 Wochen geschlachtet. Das grausame Zwangsstopfen von Gänsen zur Herstellung von Stopfleberprodukten ist in Deutschland gesetzlich verboten.
Nicht verboten ist allerdings der Verkauf von Produkten aus dieser Stopfmast, wie sie in Frankreich oder Ungarn noch weit verbreitet ist. Das Fleisch der Stopfgänse ist genau genommen ein Abfallprodukt und kann von der deutschen Lebensmittelindustrie zu Niedrigstpreisen importiert werden, da das eigentliche Geschäft mit den Fettlebern gemacht wird. So unterstützt der deutsche Käufer einer Martinsgans aus Osteuropa unwissentlich die tierquälerische Gänsestopfleberproduktion.

„Was die Gänse in ihrem kurzen Leben erleiden müssen, sieht man der Tiefkühlware nicht mehr an. Der Landestierschutzverband fordert deshalb schon lange EU-einheitliche, verbindliche Gesetze für die Zucht und Haltung von Gänsen sowie klare Kennzeichnungsvorgaben.“ erklärt Stefan Hitzler, Vorsitzender des Landestierschutzverbandes. Nach Ansicht des Tierschützers, ist Gänsefleisch aus der Stopfleberproduktion strikt abzulehnen. „Überhaupt sollte man beim Einkauf nicht eindeutig deklarierte Produkte aus Bulgarien, Frankreich, Polen und Ungarn links liegen lassen. Wer auf der sicheren Seite sein will, der verzichtet ganz auf den tierischen Braten. Es gibt inzwischen zahlreiche fleischlose Gerichte, die problemlos mit einem Festbraten mithalten können.“ lautet die Empfehlung des Tierschützers.

Freilandgänse

 

Fazit:
Für Stefan Hitzler ist klar: „Wenn zu St. Martin oder auch an Weihnachten ein Gänsebraten gekauft werden soll, dann bitte aus möglichst tiergerechter Haltung. Diese Produkte sind eindeutig als solche ausgewiesen und tragen das Bio-Siegel mit der Aufschrift nach EU-Öko-Verordnung. Die Bezeichnungen „Freilandhaltung", "bäuerliche Freilandhaltung" „bäuerliche Freilandhaltung - unbegrenzter Auslauf" oder „Bio“ kennzeichnen Tiere, die zumindest mehr Platz im Stall hatten und Auslauf ins Freie. Noch besser ist es natürlich, man kann sich - vielleicht bei einem Familienausflug - selbst mit eigenen Augen davon überzeugen, dass die Gänse es zuvor gut hatten. Diese Gewissheit sollte jedem auch ein paar Euro mehr wert sein.“

Hintergrund:
Gänse sind hoch soziale, sehr kommunikative und wehrhafte Wasservögel. Durch ihr lautes Geschnatter haben sie nicht nur angeblich das Versteck des Heiligen Martin verraten, sondern schon früher als „lebende Alarmanlage“ so manchen in die Flucht geschlagen. Sie sind gesellig, besonders lernfähig und neugierig und schließen monogame, lebenslange Partnerschaften. Eine tiergerechte Gänsehaltung setzt Zugang zu einem Gewässer, indem sie schwimmen und ihr Gefieder pflegen können, ausreichenden Auslauf auf einer Wiese und einen großen Stall mit Stroheinstreu voraus.
In Deutschland gibt es in der so genannten „Nutztierhaltungsverordnung“ noch immer keine verbindlichen Vorschriften für die Gänse-, Enten- oder Putenhaltung.

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